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16 décembre 2008

Was ich sonst so mache in meiner Freizeit...

Philosophie trifft auf Hirnforschung – das Kind heisst „aufgeklärter Naturalismus“

Ein Kommentar zum Buch „Freiheit, Schuld und Verantwortung. Grundzüge einer naturalistischen Theorie der Willensfreiheit“ M. Pauen und G. Roth, SV.

Die Einleitung des Buches verspricht einiges: Der „aufgeklärte Naturalismus“ wird vorgestellt; neue Erkenntnisse der Neurowissenschaften werden mit altbewährten Werkzeugen der Philosophie zu einer Theorie verwoben, Begriffe wie Freiheit, Schuld und Verantwortung neu diskutiert. Die beiden Autoren, Michael Pauen, Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin und Gerhard Roth, Professor für Verhaltensphysiologie und Neurobiologie an der Universität Bremen, haben beide auch Kenntnisse des „anderen“ Fachs. Das Buch soll dabei nicht bloss eine interdisziplinäre Intellekt-Akrobatik-Übung bleiben – es soll Anstösse geben, wie man heikle strafrechtliche Fragen angeht, beispielsweise wie weit ein Gewalttäter für seine Handlungen zur Verantwortung gezogen werden kann – allerhand für 170 Seiten im Taschenbuchformat. 

Der Freiheitsbegriff

In guter philosophischer Tradition wird zunächst auf 3 von 8 Kapiteln der Begriff der Willensfreiheit definiert. Damit die Handlung einer Person als „frei“ bezeichnet werden kann gibt es 2 Minimalbedingungen zu erfüllen, die Handlung darf nicht unter Zwang stattfinden und sie darf nicht rein zufällig sein. Unter Zwang verstehen die Autoren sowohl äussere als auch innere Zwänge. Wird die Person also von jemand oder etwas anderem zu einer Handlung gezwungen, ist diese nicht als frei zu bezeichnen. Auch innere Zwänge – wie zum Beispiel eine Sucht – führen zu Handlungen die nicht als frei bezeichnet werden können. Zum anderen darf die Handlung auch nicht zufällig sein, sie muss aus den Wünschen und Präferenzen der handelnden Person hervorgehen, ein Prozess der Abwägung von Konsequenzen muss also stattfinden können. Nur wenn eine Handlung in diesen Sinne „frei“ ist, ist es möglich die Person dafür zur Verantwortung zu ziehen – was Konsequenzen auch für das Straftecht hat. Bestraft werden darf also nur jemand, der „frei gehandelt“ hat – doch wie grenzt man dies ab? Wann ist eine Handlung folge der Persönlichkeit eines Menschen und wann ist von Zwang zu sprechen? 

Die Persönlichkeit im Kopf

Eine Willenshandlung setzt die Existenz einer „Persönlichkeit“ voraus, gewisse Handlungsmuster die aus bewussten und unbewussten Präferenzen resultieren. Bei der Ausbildung der Persönlichkeit des Menschen spielen viele Einflussfaktoren eine Rolle, wie zum Beispiel die genetische Veranlagung, die physiologische Entwicklung des Gehirns, die soziale Umwelt und die Alltagserfahrungen. Diese prägenden Faktoren haben ihre Ursachen durchaus auch (und vor allem) ausserhalb des Hirns, jedoch werden sie vom Hirn zu dem verarbeitet und miteinander verknüpft was jeder von uns als seine „Persönlichkeit“ erlebt.

Gedanken und Handlungen beruhen für die Autoren dieses Buches auf neuronalen Prozessen. Dabei wird der hier propagierte „aufgeklärte Naturalismus“ gegen den vorgeworfenen „Reduktionismus“ abgegrenzt: damit der Mensch überhaupt denken kann, bedarf es biologischer Vorgänge im Gehirn. Die Gedanken und Gefühle selbst werden dadurch nicht auf diese biologischen Prozesse reduziert, genauso wenig wie ein Text oder Musikstück auf einen Binärcode reduziert wird, wenn man ihn digital speichert. 

Die Legitimation der Strafe und Bestimmung des Strafmasses

Kritik geübt wird seitens der Autoren an der präventiven sowohl an der retributivistischen Straftheorie. Die Strafe nach heutiger Auffassung des deutschen Strafrechts schützt – präventiv – die Rechtsordung durch Abschreckung und dient auch der Vergeltung der Schuld – also retributiv – des Täters. 

Nach der präventiven Straftheorie, hat die Strafe den Sinn zukünftige Normverletzungen, also gesetzeswidrige Handlungen, zu verhindern. Zur Rechtfertigung von Strafe reichen also die positiven Konsequenzen des Strafens, die Tat selbst oder die Verwerflichkeit des Verbrechens spielt dabei keine Rolle. Die Autoren deuten auf diese gefährliche Situation, denn wenn Prävention und Abschreckung im Vordergrund stehen, lässt sich rein theoretisch auch eine „präventive“ Bestrafung Unschuldiger rechtfertigen.

Bei dieser Argumentation etwas irritierend war, dass nicht darauf eingegangen wird, welcher positive, respektive präventive Effekt aus einer Bestrafung von Unschuldigen zu erwarten, oder überhaupt möglich, ist. Denn wer schon eine Strafe befüchten muss, ohne ein Gesetz zu brechen, wird kaum von einem Gesetzesbruch abhalten werden, da er ja gegenüber dem Unschuldigen keine zusätzlichen Sanktionen zu erwarten hat. 

Die Kritik an der Retributionstherorie besteht darin, dass nach dem ihr zugrunde liegendem Vergeltungsprinzip das Ausmass der Schuld die Höhe der Strafe bestimmen soll. Die Autoren zweifeln an der Annahme, dass sich Schuld und Strafe miteinander aufwiegen lassen – plump gesagt – man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen und Schuld nicht mit Strafe aufwiegen, es fehlt eine Theorie die ein „Ausmass an Strafe“ einer „Höhe der Schuld“ zuordnen kann. 

Im Buch wird als Alternative zur präventiven und retributivistischen Straftheorie eine „Vertragstheorie“ aufgestellt. Als Ausgangspunkt dient das Bedürfnis der Menschen nach körperlicher Unversehrtheit und Schutz ihrer materiellen Güter. Aus diesem Interesse entsteht das Bedürfnis nach einer Rechtsordnung. Daraus wird gefolgert, dass die Verwirklichung der oben genannten Interessen – Unversehrtheit und Schutz materieller Güter – nur möglich ist, wenn sich jeder einzelne an die Regeln hält und die Strafe als Konsequenz der Regelverletzung akzeptiert. Die Fairness des Vertrags ist laut den Autoren dadurch gegeben, da der Vertrag aus den Bedürfnissen der Vertragspartner heraus entstanden ist, die alle dem Vertrag unterliegen. Bestrafung dient in diesem Modell der Aufrechterhaltung dieser Rechtsordnung (also dem Schutz der Vertragspartner und ihrer Güter) und darf nur so weit gehen, dass die Schutzbedürfnisse verteidigt. Das Strafmass hat sich an der Schwere der Schuld zu orientieren. Es wird behauptet, dieser Ansatz habe den Vorteil gegenüber der Retributionstheorie, indem die Strafe ihre Legitimität aus den substantiellen Interessen der Vertragspartner hat und nicht aus der Schuld oder dem Verbrechen abgeleitet werden muss. Gegenüber dem präventiven Ansatz habe die im Buch skizzierte Theorie den Vorteil, das Strafmass nicht aus dem „allgemeinen Interesse an einer funktionierende Rechtsordnung“ abzuleiten sondern wie bereits erwähnt zur Aufrechterhaltung des „individuellen Schutzbedürfnisses“. 

Die Argumente mögen philosophisch gesehen korrekt sein, jedoch ob sich dadurch für die Alltagspraxis das Strafmass transparenter und einfacher quantifizieren lässt ist fraglich. Das grundlegende Problem, ein „faires Strafmass“ zu bestimmen, dass der „Höhe der Schuld“ entspricht, bleibt auch bei diesem Ansatz, auch wenn die Strafe im Gegensatz zur Retributionstheorie der Wahrung des Schutzbedürfnisses und nicht der Vergeltung dient. Etwas utopisch mag auch die Vorstellung sein, einen „fairen Vertrag“ aus den grundlegenden Schutzbedüfnissen der Leute zustande zu bringen. Denn schon existierende Machtstrukturen geben nicht allen „Vertragspartnern“ das gleiche Gewicht beim Vertragsabschluss. Ein Beispiel hierfür könnte ein Fabrikarbeiter in China sein, der seinen Anspruch auf Schutz der Gesundheit nicht einfordern kann, da seine Armut und die Armut vieler anderer, die eine Arbeitsstelle brauchen, ihn zwingt die unfairen Bedingungen des Arbeitgebers zu akzeptieren. Aber eine schöne Vorstellung ist es allemal, dass aus den Bedürfnissen der Individuen faire gesellschaftliche Spielregeln entstehen könnten. 

Weitreichende Konsequenzen für den Strafvollzug?

Den Autoren gelingt eine gut strukturierte, logisch nachvollziehbare Definition ihrer Vorstellung von Willensfreiheit. Sie gehen wiederholt auf die wichtigsten Abgrenzungen der verwendeten Begriffe ein – besonders bei Begriffen wie „Freiheit“ und „Bewusstsein“ist dies wichtig, da sie im Alltag je nach Kontext eine etwas andere Bedeutung aufweisen – was das Lesen soweit verflüssigt, dass man nicht – wie sonst üblich bei Fachliteratur – andauernd zurückblättern muss. Es ist den Autoren gelungen, ihr Fachgebiet in einer Sprache zu präsentieren die zwar gewisse Konzentration verlangt – jedoch nicht einer geschlossenen Gesellschaft mit entsprechender Vorbildung vorenthalten bleibt. Was jedoch ein wenig enttäuschend ist, sind die „weitreichenden Konsequenzen für das Strafrecht und Strafvollzug“, die auf der letzten Umschlagsseite angepriesen werden. Das Buch greift die Problematik der Verantwortlichkeit bei Straftaten auf, vermag jedoch keine wirklich neue praktisch anwendbare Verfahrensweise bei der Feststellung der „Schuldfähigkeit“. Auch wenn die Neurobiologie Kindheitstraumata oder genetische Veranlangungen, die zum Beispiel zu Gewalttätigkeit führen können mit neuronalen Vorgängen in Verbindung bringen kann, ist es dennoch so, das eine Veranlangung und ein Traumata nicht zur Gewalttätikeit führen muss. Die Frage wann für die Gewalttätikeit die Umstände „verantwortlich“ sind und wann die handelnde Person selbst zur Verantwortung gezogen werden kann, ist immernoch schwer zu bestimmen. „Schuldfähigkeit“ lässt sich auch mit den neuen Erkenntnissen kaum besser quantifizieren. Die Autoren leisten sich hier einen Ausblick, und mutmassen, dass in Zukunft, falls sich erweist, dass tatsächlich Gene und traumatisierende Erlebnisse die Fähigkeit zur Selbstkontrolle verringern, ein viel grösserer Anteil der Täter in die Kategorie „schuldunfähig“ fallen wird als dies heute der Fall ist. Wie man mit dieser Kategorie von Straftätern umgehen soll, bleibt jedoch offen. Die Frage stellt sich, inwiefern darf ein Subjekt einem anderen die Fähigkeit Verantwortung zu übernehmen absprechen, und wie soll trotzdem die Würde dieser Person gewahrt werden.

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7 novembre 2008

Einspruch!

Nein, ich ernähre mich nicht selbst mit schlechtem Gewissen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich mich nicht selbst ernähre. Ich will auch nichts weiter als "etwas" können, was mir eine Existenzgrundlage verschafft. Ich will nicht Erfüllung durch gesellschaftlich annerkannten Erfolg, ich will nur Erfüllung fühlen, weil ich einfach bin. Aber genau das geht nicht. Ich bin zum arroganten Alltagsinvaliden erzogen worden, habe 20 Jahre lang Schulen besucht, während mir alle etwas von "Elite" eingeredet haben. Ich habs nie geglaubt, aber es prägt. Stattdessen sehe ich, dass in der Welt wo ich leben müsste ich zum Abschaum gehöre. Und in einer anderen zu überleben kann ich nicht. Ich kann mir mein Essen schlichtweg nicht selbst verdienen, weder als Akademiker noch als Handwerker. Und ich habe - im Moment zumindest - keine Freude an meinem eigenen Bewusstsein, meinen Gedanken, meinen Gefühlen. Meine Welt ist nunmal nicht die physikalische Wirklichkeit (falls es so etwas überhaupt gibt) sondern das Konstrukt meines chemiegeplagten Gehirns.

Ich bin ein Esel ohne Karotte, jedoch mit schwerer imaginärer Last ;-)

26 octobre 2008

unsterblichkeit

"mit gutem gewissen sagen können: ich ernähre mich selbst" - wie kann man sich denn mit schlechtem gewissen selbst ernähren? indem man etwas tut, was nicht der persönlichen entfaltung dient, sondern nur dem zweck der ernährung? muss man sich dafür schämen, "einfach" geld zu verdienen um zu leben? ich konstatiere, dass für frau postic die selbstverwirklichung mit der beruflichen verwirklichung auf gleicher ebene steht. ein produkt des kapitalismus? früher stellte man sich solche fragen nicht. vor der entwicklung der (reichen) individualistischen gesellschaft im kapitalismus arbeitete man einfach, um sich und seine familie zu ernähren. wenn man(n) sich mehr zu einem bestimmten handwerk hingezogen fühlte, spezialisierte man sich darin - soweit die umstände es erlaubten. aber das war's dann auch schon. niemand strebte nach höheren zielen - man konnte schon froh sein, wenn das was man tat, einem einigermassen behagte und genug geld einbrachte. hatten denn die menschen vor dem kapitalismus weniger das bedürfnis, sich selbst zu verwirklichen, eine essenz im leben zu haben? ich glaube nicht. ich glaube, sie suchten sie nur anderswo. der kampf um's überleben ist ein mühsamer pfad den alle gehen müssen - warum ihn also erschweren indem man ihm noch mehr bedeutung zuschreibt, ihn zum EINZIGEN lebensweg macht? du bist nicht das, was du tust, um geld zu verdienen. denn das würde bedeuten, du kannst nur SEIN wenn du die erwartung erfüllst, dem druck entsprichst. doch den druck machst du dir selbst. du befiehlst dir, nicht mittelmässig sein zu dürfen. deine existenz ist nur dann gerechtfertigt, wenn du mehr als gewöhnlich - herausragend! - bist. frau postic, ich würde dich so gerne davon überzeugen, dass es für dich als mensch (!) nichts zu beweisen gibt. denn du BIST bereits einigartig. glaubst du wirklich, dein leben wird mehr WERT sein, wenn dein name auf irgendeiner liste grosser forscherinnen oder entdeckerinnen steht? musst du wirklich in die geschichtsbücher eingehen, um gelebt zu haben...? du inspirierst mich mehr als irgendwer sonst, du gibst mir kraft und vertrauen in mich, weil ich mich von dir verstanden fühle. weil ich mit dir mich selbst sein kann. für mich ist DAS deine essenz, dein wesen - was ich zwar auch nicht "fassen" (dir in worten vorlegen) kann - aber was mich dir genenüber öffnet, dich so wertvoll für mich macht. und daran wird sich nichts ändern, ob du jetzt ein paar neue umwelteinflüsse berechnest oder nicht. für wen lebst du? für dich, für deine mitmenschen? oder für das geschichtsbuch? ich muss dir umbedingt kundera's "unsterblichkeit" an's herz, ein buch rund um den gedanken, was die menschen an der unsterblichkeit fasziniert. wir alle wollen irgendwie MEHR sein, als das, was wir sind. wir begnügen uns nicht damit, im leben einfach zu SEIN - wir lechzen danach, eine spur zu hinterlassen, in die geschichte einzugehen. ein eindruck: "Ein junger Mann, der mit zwanzig Jahren einer kommunistischen Partei beitritt oder mit dem Gewehr in der Hand in die Berge zieht, um mit der Guerilla zu kämpfen, ist fasziniert von seinem Bild als Revolutionär, durch das er sich von den anderen unterscheidet und er selbst wird. Der Ursprung seines Kampfes ist die brennende und ungestillte Liebe zum eignen Ich, dem er ausdrucksvolle Züge verleihen und es dann (...) auf die grosse Bühne der Geschichte hinausschicken möchte, auf die tausende von Augen gerichtet sind; und wir wissen ..., dass die Seele unter intensiven Blicken wächst, dass sie sich aufbläht, immer umfangreicher wird und zuletzt wie ein wunderbares, beleuchtetes Luftschiff zum Firmament hinaufschwebt." weisst du, auch ich brauche anerkennung, bewunderung, möchte inspirieren und schönes auf meine umwelt übertragen. so viele menschen tun "gutes" oder aufregendes nur um von anderen gesehen, anerkannt zu werden. vielleicht kommen wir um diese lüge nicht herum. vielleicht sind wir keine "moralischen" wesen, haben den begriff nur erfunden, um unser bedürfnis nach anerkennung gerechtfertigt zu stillen. um unser ego zu befriedigen, das immer nur mehr und grösser und besser sein will. schopenhauer hätte gesagt: das ist ganz natürlich und gehört zum überlebenstrieb der rasse. wenn wir nicht immer alle grösser und besser sein wollen würden, würde sich schliesslich die spezies nicht weiterentwickeln...
24 octobre 2008

Ich will was ich kann aber ich weiss nicht was das ist

Aus Erfahrung weiss ich, dass mich genau das faszinieren wird, was meine Fähigkeiten übersteigt. Edel und erstrebenswert nur, was ausserhalb meiner Reichweite ist. Nicht weil es von Natur aus so ist, sondern weil es unerreichbar ist. Ich mag mich nicht, so bin ich programmiert. Aber dennoch blieb mir ein gewisses Mass an Ehrgeiz nicht erspart. Mein "positives Denken" besteht darin, plötzlich all das, was ich selbst - weil für mich unerreichbar - aufs Podest erhoben habe, als fassbar sehe. Voller Freude sehe ich mich plötzlich als eine dieser schönen, klugen, geistreichen, edlen Personen die faszinerende Dinge vollbringen und andere Menschen inspirieren. Ich bin sicher, dass ich viel erreichen kann. Ich gehöre jedoch nicht zu dieser Minderheit, und werde es auch nie, das ist Tatsache. Ich bewundere solche Menschen, ich finde ihre Eigenschaften erstrebenswert, aber selbst danach zu streben kann mich nur in die Verzweiflung treiben, denn ich werde meine zu hoch gesetzten Ziele niemals erreichen.

Ich soll mir nicht die Frage stellen, was ich will, sondern was ich kann. Bescheiden werden, damit mich mein Ehrgeiz auf einem gesundem Mass vorwärts treibt, und nicht nur Enttäuschungen und Selbstzweifel verursacht. Nur weil ich etwas als erstrebenswert sehe, heisst es noch lange nicht, dass es für mich erreichbar ist. Welch ein einfacher Trugschluss mein Leben bisher war.

Aber was kann ich denn?

Vielleicht ist es mein einziges Talent, die Notwendigkeit zur Selbstzensur zu erkennen. Was, wenn ich mich nicht in schlechten Zeiten unterschätze sondern in den Guten überschätze? Wieso kann ich nicht meine wirklichen Fähigkeiten erkennen? Vielleicht weil ich keine habe? Ist es denn überhaupt möglich, dass ich nichts kann, was mir eine unabhängige Existenz sichern könnte? Gibt es denn nichts, was ich machen kann und dabei mit gutem Gewissen sagen könnte "ich ernähre mich selbst".

23 octobre 2008

nachtarg (3 monate später)

nachträglich möchte ich alles was meinerseits bezüglich misanthropie gesagt wurde widerrufen und feststellen: ich bin doch misanthropin, ich hasse die menschen und hasse mich selbst, weil ich ein mensch bin. wenn ich für jemanden zuneigung empfinde, bewundere ich gleichzeitig ihre fähigkeit, mensch und DOCH liebenswürdig zu sein. das spricht für sich. manchmal habe ich auch mitleid mit ihnen. mitleid mit mir selbst. nur leider nicht oft genug. das wäre doch die lösung, buddha's weg noch dazu: COMPASSION. nur um mit zu fühlen muss man erst einmal lieben. und das ist schwer wenn man hasst. die meiste zeit bin ich wütend, kann meiner wut keine luft machen und bin frustriert. mehr als frustriert, unfähig gemacht, tiefst schockiert über mein eigenes versagen. meine schwäche, meine dummheit, meine laschheit, meinen trägen, hässlichen körper. v.a. meinen körper der mir das leben schwer macht. der mich einsperrt, mich im glaskasten ausstellt. alle sehen MICH, weil ich das nach aussen trage, was ich fühle. und ich fühle mich hässlich, fühle mich alt. ich, die vorhatte zu leben. vielleicht sollte ich endlich mal damit anfangen. wieder diese einstellung. wie beim diät-machen. (kennt frau postic nicht aber ist für mich ein sehr treffender vergleich.) ich nehme mich also alles erdenklich gute vor und überzeuge mich selber reichlich davon, dass es diesmal klappen wird. ich setzte alles in gang, um mein ziel zu erreichen. dann fange ich an und merke bald, dass es doch nicht das was, was ich wollte. dass ich wieder auf falsche werte gesetzt habe. mich wieder falsch eingeschätzt. zu feige, einen rückzieher zu machen, "ziehe ich es jetzt halt einfach durch", bringe es hinter mich (super!), lebe wieder nur für das, was kommen wird. die gegenwart wird zum traum, so dahin gelebt. nicht real, weil das herz sich nicht niederlässt, immer ganz wo anders ist. die welt um uns ist wie ein spiegel... ...dem spiegel kann man nie entkommen. wie beim diät machen halt. da ist's auch so, wenn man's einmal versaut hat (fressanfall), kann man's gleich bleiben lassen. ist ja eh alles egal jetzt. nur noch "durchziehen" (en gros: sich gehen lassen) bis zum NÄCHSTEN neuanfang, wo ich mir dann wieder alles schön vornehme und schön drann glaube, dass es DIESMAL klappen wird. sehr gescheit. ich lese jetzt übrigens anaïs nin, die tagebücher. musste ja doch mal, nachdem ich henry miller dort in einer mischung aus verachtung und faszination verschlungen hatte. hat mich zum schreiben animiert damals (?), tut's jetzt wieder mit seinem porzellan prinzesschen. so kommt sie mir ein wenig vor. sie nervt mich weniger als miller, aber sie schreibt auch weniger gut. und sie ist, HACH, so zart und so gütig. hat sie nicht davon abgehalten, wie eine wahnsinnige zu schreiben. obwohl sie völlig anders ist als ich.. scheint sie doch auch dieses problem zu haben: immer alles in frage stellen zu müssen. nie einfach drauf los leben zu können (was sie an henry bewunderte), so "vergeistigt" und ohne selbstvertrauen, wie sie sagt. auch wenn alle, die im buch vorkommen, sie wie eine göttin anhimmeln. egal, sie hat gelebt - und sie hat geschrieben! (die frage ist nur: was mehr?) und es waren ja auch noch ganz andere zeiten damals...
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17 juillet 2008

ja ja, die misanthropie...

...die kenne ich. oder kann mir zumindest ungefähr vorstellen, was du damit meinst. immer darauf achten, niemandem über den weg zu laufen, den man oberflächlich kennt. sich im park immer den einsamsten platz zu suchen, im bus immer den hintersten sitz. und im zug am besten ein leeres viererabteil, wo auch niemand im vierer gegenübersitzt. wenn dann doch jemand platz nimmt nervt man sich heimlich über die verlorene tranquilität. manchmal kommen gleich drei und setzen sich Um einen herum... dann hasst man sie für ihr lautes geschnatter, für das penetrante parfüm, dass sie einem unter die nase reiben. dafür, dass sie einen nicht einfach in ruhe sein buch lesen lassen. im bahnhof, am morgen früh, ist es am schlimmsten. man vermeidet jegliche art von einreihung (ein ding der unmöglichkeit), nimmt sogar als sportmuffel lieber die stufen als sich auf die rolltreppe zu zwängen. wenn der zug auf dem quai ankommt, wollen immer alle als ERSTE rein um den BESTEN platz zu kriegen. man hasst sie, hasst sie. die scheiss-menschen. trotzdem muss ich dich enttäuschen und behaupten, wir sind KEINE misanthropen. der misanthrop hasst den menschen als wesen, nicht sein verhalten in der masse. die industrialisierung und der kapitalismus haben uns zu eigenbrötlern gemacht, die nicht mehr in gemeischaft leben können. die sich in der masse absolut verantwortungslos verhalten. wir haben vergessen, wie es ist, miteinander zu sein. heute sind wir nur noch gegeneinander. und wir geben ein furchtbares bild ab... damit will ich sagen: unsere antipathie den menschen generell gegenüber ist verständlich (gerechtfertigt?), weil wir ihnen grösstenteils nur in der masse begegnen. wenn wir ihnen jedoch als einzelnes menschliches wesen begegnen, urteilen wir ganz anders. wir urteilen immer noch, aber wir müssen sogar bei den menschen die wir - als wesen - "hassen", zugeben, dass ihre persönlichkeit viele aspekte beinhaltet. und dass sich unsere gefuhle ihr gegenüber wahrscheinlich auf hass beschränken, weil wir eine sehr eingeschränkte sicht auf sie haben und vermutlich gar nicht mehr über sie wissen wollen. gleichzeitig können wir einen menschen als wesen gern haben, lieben, bewundern. wir können dankbar sein für einen menschen, und glücklich, nicht alleine zu sein. das lässt sich mit misanthropie aus überzeugung definitif nicht vereinbaren.:)
17 juillet 2008

miss universum

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16 juillet 2008

nachtrag (zu schopi)

bin ja schon so in positif-auf-frau-postic-einred-stimmung, aber um begannenes zu beenden kommt hier erst noch den nachtrag zu schopenhauer's ach so trister existenz (vor der antwort:). denn das leben war ja bloss die einleitung! jetzt kommt die kleine geschichte zum "trost bei gebrochenen herzen", die uns alain de botton zu schopi erzählt - in kurzfassung. eine junge frau fährt im zug in die ferien. sie war ganz in ihre schuldbücher vertieft, sogar ziemlich konzentriert, doch seit der junge mann an der letzten station eingestiegen ist und sich ihr gegenüber in's abteil gesetzt hat, kann sie keinen klaren gedanken mehr fassen. er ist schön, mit seinen elfenaugen und den langen schwarzen haaren. die junge frau stellt sich vor, wie sie durch diese haare streicht, diesen nacken streichelt, diese lippen küsst... sie sieht sich mit ihm hoch oben in den bergen sitzen, im sonnenaufgang, in seinen armen liegend. ihre gedanken kreisen nur noch darum, wie sie ein gespräch mit ihm anfangen könnte. sollte sie ihn fragen, was das für eine band ist, die sie da aus seinem iPod hört? ob er auch in die ferien fährt? sie fühlt sich, als springe sie von einer hohen brücke in die tiefe. ein alltägliches thema. kommt uns allen bekannt vor (auch ohne die elfenmann-version). philosophen hingegen haben sich nie gross mit diesem thema beschäftigt. die kleinen eitelkeiten der liebe, das kribbeln, das verliebtsein. mit diesem "niederen menschlichen verhalten" können sich die lyriker und poeten beschäftigen. wir widmen uns den WICHTIGEN dingen des lebens... schopenhauer ist nicht einverstanden. er wundert sich darüber, dass eine sache, die "im menschenleben durchweg eine so bedeutende rolle spielt, von den philosophen bisher ... gar nicht in betrachtung genommen worden ist und als ein unbearbeiteter stoff vorliegt". diese vernachlässigung sei die folge einer grosspurigen verleugnung einer seite des des lebens, die dem selbstverständnis des menschen als rationalem wesen widerspricht. schopi beharrt auf der "peinlichen realität der liebe", welche "die ernsthaftesten beschäftigungen zu zu jeder stunde unterbricht". er ist wie montaigne der meinung, dass unser geist eigentlich unserem körper untergeordnet ist, obwohl wir stur das gegenteil behaupten. er geht aber noch weiter. er behauptet, es gäbe eine kraft in uns die über der vernunft steht, die so mächtig ist, dass sie alle vorhaben und urteile der vernuft und über den haufen werfen kann, und die nennt er "wille zum leben" - ein uns innewohnender trieb, zu leben und uns fortzuspflanzen. der wille zum leben bringt eingefleischte depressive dazu, dass sie sich bei einem schiffsuntergang an die reeling zu klammern. er bringt eine seriöse frau zum glucksen, wenn sie ein kleinkind sieht, obwohl sie gar keine will. sie bekommt dann doch irgendwann eins und liebt es innig. wegen dem willen zum leben überlässt sich die junge frau ihren erotischen phantasien, statt für die masterarbeit zu lernen... zwar geht es schopi schon ein bitzli auf die nerven, dieses gesülze (v.a. weil er keinen erfolg hat bei frauen), aber er findet sich damit ab, denn er hält es weder für unverhältnismässig noch für zufällig (!). für ihn entspricht es völlig der funktion von liebe: "(...) die wichtigkeit der sache ist dem ernst und eifer des treibens vollkommen angemessen. der endzweck aller liebeshändel ist wirklich wichtiger, als alle anderen zwecke im menschenleben, und daher des tiefen ernstes, womit jeder ihn vefolgt, völlig werth." und dieser zweck ist, nach schopenhauer's meinung, die fortplanzung, also die geschlechtsliebe. denn: "... was dadurch entschieden wird, ist nichts geringeres , als die zusammensetzung der nächsten generation ... das daseyn und die specielle beschaffenheit des menschengeschlechts in künftigen zeiten". und weil eben die liebe uns mit solcher macht zur fortplanzung - dieser forderung des willens zum leben - hinzieht, ist sie für schopi die unvermeidlichste und verständlichste unseren obsessionen. ob nun fortspflanzung wirklich der zweck (=sinn?) unserer existenz ist, darüber kann man streiten. ich wäre auch nicht die erste, das zu behaupten. aber man könnte es sich ja mal vorstellen. eigentlich ist es doch nur unsere eitelkeit, die uns davon überzeugt, dass unser leben einen "höheren" sinn hat als die fortplanzung. und "höher" ist wie "wichtiger" auch wieder nur ein menschliches urteil. woher wollen wir wissen, dass nicht eben genau IM banalen der eigentliche sinn liegt? zitat de botton: "wir sind, so schopenhauer, gespalten in ein bewusstes und ein unbewusstes Ich, das unbewusste vom willen zum leben gesteuert das bewusste ihm untergeordnet und nicht imstande, alle seine pläne zu durchschauen. statt selbst souverän zu sein, ist das bewusste denken der nur partiell zur einsicht fähige diener eines dominanten willens zum leben. der intellekt (=das bewusste denken) begreift nur so viel, wie nötig ist, um die fortpflanzung zu unterstützen - was heissen kann: sehr wenig." schopenhauer: "... er (der intellekt) ist dem willen (zum leben) so fremd, dass er von diesem bisweilen sogar mystificiert wird." und eben diese fremdheit zwischen den zwei gespaltenen ichs ist es, die uns das gefühl gibt, wir lieben eine einzige person, wärend wir innerlich von einer kraft getrieben sind, die die nächste generation bestimmen wird. da fragt sich die junge frau: wieso sollten die menschen so getäuscht werden müssen, nur um sich fortzupflanzen? und schopi hat auch darauf eine antwort: weil wir uns nämlich niemals auf die fortplanzung einliessen, wenn wir nicht den verstand verloren hätten.:) so findet schopi einfach alles mal - normal. tragisch, aber immerhin, NORMAL. normal, dass wir verwirrt sind, im bezug auf unserer erwartungen, im bezug auf die liebe, immer wieder enttäuscht werden. wir wissen ja auch nicht, warum wir jemanden lieben. warum gerade ihn, wo er mir doch schon seit über zwei jahren das leben schwer macht? schopi sagt da, ist doch klar, du suchst unterbewusst nach den richtigen genen für die zukünftige generation und bei ihm würden sie einigermassen passen. würden wir nämlich nicht unterbewusst auf die "richtigen gene" achten, wäre die welt schon lange in anormalität versunken. so ist es dann auch logisch, dass die meisten beziehungen nicht ewig halten - wenn man keine kinder zeugen will oder wenn der nachwuchs bereits da ist. die liebe hält nicht, denn sie war ja nur die täuschung die uns zum partner mit den passenden genen führte. ist die arbeit ausgeführt oder aussichtllos, verzieht sie sich. "dass konvienenz und leidenschaftliche liebe hand in hand giengen, ist der seltenste glücksfall." sehr treffend, oder? schopi folgert also (das, was wir uns auch schon gesagt haben), dass das streben nach persönlichem glück und die hervorbringung gesunder kinder zwei grundverschiedene unternehmungen sind, und wie de botton sagt, "die liebe verleitet uns boshafterweise zu der annahme, sie fielen für die erforderliche zeit in eines zusammen." love is evil. LoL. nun die beruhigende schlussfolgerung. diese ansichten sind zwar heavy, man sträubt sich erst dagegen, will sich sicher nicht auf das "niveau" der fortpflanzung herablassen. aber dann macht doch alles irgendwie sinn. der intellekt steht gar nicht so "hoch* über dem körper. etwas treibt uns, das wir nicht erklähren können. und sich nun zu sagen, dass diese verwirrung, die spaltung der ichs, einer ernsten, wichtigen sache dient? und wenn die liebe eine so mächtige kraft ist, dass sie uns zum kinderkriegen verleitet (=vielleicht das grösste glück?), ist es dann nicht normal wenn sie spuren hinterlässt? es würde etwas fehlen, wenn wir z.b. bei einer trennung nicht litten. und man kann sich immernoch sagen, wenn's nicht geklappt hat, dann sollt's nichts sein: die gene haben nicht gepasst.:) soviel zum "trost bei gebrochenem herzen". die antwort kommt also next time. cheer up, frau postic! mit händ na viel zit zum euse perfekt fortpflanzigspartner finde! (und wüssed jetzt scho, dass es nöd für immer wird si...)
8 juillet 2008

selbstmitleid von frau postic

Da bleibt mir nur noch übrig vor Neid zu ergrünen. Gewiss, viel haben wir schon über die Einsamkeit des Genies gehört, und noch viel mehr ehrfurchtsvoll hinein interpretiert. Wie faszinierend es doch sein mag, wenn die eigenen edlen Gedanken so ehaben sind, dass der Austausch mit Menschen nie an sie herankommt. Doch nicht jeder Misanthrop ist auch Genie.

Diese haben die Arschkarte gezogen. Gelangweilt von ihrer Dummheit und trotzdem schlau genug sie zu erkennen und für sich zu behalten, bleibt ihnen nichts anderes übrig als in der einsamen dunklen (warum bitte dunkel? scheiss-grufties..) Kammer die eigene soziale Inkompetenz zu bedauern und über die Gründe für ihre Ausgeschlossenheit zu sinnieren. Je nach Stimmung arrogant-weltverachtend oder einfach nur depressiv-sich-selbst-bemitleidend. Es spielt schliesslich keine Rolle, ob es nun die Oberflächlichkeit der Kosumgesellschaft ist oder das Nicht-Interessant-Sein für andere, dass den Misanthropen zu hause behält, denn die Welt kann sowieso auf die ganze Menschheit verzichten, und erst recht auf die mühsamen Teile davon. Wohl dem, dem es gelingt Freude zu haben, egal ob an seinen neuen Kleidern oder seiner edlen Traurigkeit. Richtig bemitleidenswert ist das nicht-Genie, dessen Lebensverneinung nicht ästethisch ist: keine Gedichte, keine Bilder, keine Musik, die aus der Tiefe des Maelstroms der Seele hervorgehen, und trotzem leidet das kleine Arschloch vor sich hin, und das völlig nutzlos.

Ich höre schon wie sich jemand aufregt. Und vor allem da ich wieder zensur am eigenen Gedanken propagiere. Wie Recht du hast, dass die Phantasie nicht nur einer Handvoll Genies gegeben ist. Ich kann jedoch nichts dafür, ich habe Selbstmitleid statt Muttermilch gekriegt. =D

15 juin 2008

philosophie für frau postic

mal wieder was aus einem buch: alain de botton's "trost der philosophie". auszüge aus dem kapitel: "TROST BEI GEBROCHENEM HERZEN" schopenhauer1 "1788 - Arthur Schopehauer wird in Danzig geboren. In späteren Jahren denkt er mt Bedauern auf dieses Ereignis zurück: 'Man kann unser Leben auffassen als eine unnützerweise störende Episode in de säligen Ruhe des Nichts.' An anderer Stelle heisst es, 'dass das menschliche Daseyn eine Art Verwirrung seyn müsse...", ein Zustand, von dem sich sagen lässt: 'Es ist heute schlecht und wird nun täglich schlechter werden, - bis das Schlimmste kommt.' ... (die Eltern) interessieren sich nur wenig für ihren Sohn, der einmal einer der grössten Pessimisten der Geschichte der Philosophie werden sollte. 'Schon als sechsjähriges Kind fanden mich die vom Spaziergang heimkehrenden Aeltern eines Abends in der vollsten Verzeiflung.' Nach dem offensichtlichen Selbstmord des Vaters (...) bleibt der siebzehnjährige Schopenhauer mit einem Vermögen zurück, dessen Grösse die Gewähr bietet, dass er nie wird arbeiten müssen. Der Gedanke hat für ihn nichts Tröstliches. Später wird er sich erinnern: 'In meinem 17ten Jahre, ohne alle gelehrte Schulbildung, wurde ich vom Jammer des Lebens so ergriffen, wie Buddha in seiner Jugend, als er Krankheit, Alter, Schmerz und Tod erblickte. Die Wahrheit ... war, dass diese Welt kein Werk eines allgütigen Wesens seyn könnte, wohl aber das eines Teufels, der Geschöpfe ins Daseyn gerufen, um am Anblick ihrer Qual sich zu zu weiden: darauf deuteten die Data, und der Glaube, dass es so sey, gewann die Oberhand.' (Das Reisen ändert daran nichts.) Er besucht die Stadt Nîmes, in die rund 1800 Jahre zuvor schon römische Baumeister (...) Wasser geleitet hatten, damit die Bürger der Stadt jederzeit baden konnten. Schopenhauer beeindruckt nicht, was er von den Ruinen der römischen Bauwerke sieht. 'Diese Spuren führen Bald den Gedanken an die Tausende längst verweste Menschen herbey.' (Er studiert une beschliesst, Philosoph zu werden.) 'Das Leben ist eine missliche Sache, ich habe mir vorgesetzt, es damit hinzubringen, über dasselbe nachzudenken.' Bei einem Ausflug aufs Land schlägt ein Freund ihm vor, doch zu versuchen, ob sie nicht die Bekanntschaft von Frauen machen könnten. Schopenhauer vereitelt das Vorhaben mit den Worten, das Leben sei 'so kurz, fragwürdig und vergänglich, dass es sich nicht lohnt, grosse Anstalten zu treffen.' (In Weimar ist seine Mutter mit Goethe befreundet. Dieser berichtet:) 'Der junge Schopenhauer hat sich mir als einen merkwürdigen und interessanten jungen Mann dargestellt.' Schopenhauers Gefühle für den Dichter werden nie so recht erwiedert. Als der Philosoph Weimar verlässt, schreibt Goethe ein Couplet für ihn. 'Willst Du Dich Deines Wertes freuen, So musst der Welt Du Wert verleihen." (In Dresden hat er kaum Freunde,) und schraubt seine Erwartungen herunter, wenn er sich auf ein Gespräch einlässt 'Ich rede bisweilen mit Menschen so wie das Kind mit seiner Puppe redet: es weiss zwar, dass die Puppe es nicht versteht; schafft sich aber, durch eine angenheme wissentliche selbsttäuschung, die Freude der Mittheilung.' (...) Er beendet 'Die Welt als Wille und Vorstellung', von dem er weiss, dass es sich um ein Meisterwerk handelt. Es erklährt, warum es ihm an Freunden mangelt. 'Ein Mann von Genie kann schwerlich gesellig seyn. Denn welche Dialoge sollten wohl so geistreich und unterhaltend seyn, als seine Monologen?' Er besucht Florenz, Rom, Neapel und Venedig und lernt bei Empfängen eine Reie attraktiver Frauen kennen. 'Und was die Weiber betrifft, so war ich diesen sehr gewogen - hätten sie mich nur haben wollen.' Die Ablehnung trägt dazu bei, dass er zu der Ansicht gelangt: ' Das niedrig gewachsene, schmalschultige, breithüftige und kurzbeinige Geschlecht das schöne nennen, konnte nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte männliche Intellekt.' 'Ist doch jede Lebensgeschichte eine Leidensgeschichte!" 'Wenn ich doch nur die Illusion los werden könnte, das Kröten- und Ottern-Gezücht für meines Gleichen anzusehen, da wäre mir viel geholfen.' In einem Brief bekennt er sich wehmütig zu dem Wunsch, 'eine Stelle in der bürgerlichen Gesellschaft' zu haben, der sich freilich nie erfüllen wird. 'Wenn ein Gott diese Welt gemacht hat, so möchte ich nicht der Gott seyn: ihr Jammer würde mir das Herz zerreissen.' Zum Gück kann er sich in dunkleren Stunden auf ein beruhigendes Selbstwertgefühl stützen. 'Wie oft muss ich ... erfahren, dass mein Geist in Angelegenheiten des altäglichen Lebens ... das ist, was ein Teleskop im Opernhause, oder eine Kanone auf der Hasenjagd.' Seine innigsten Beziehungen hat er nun zu einer Reihe von Pudeln, an denen er eine Freundlichkeit und Demut zu erkennen glaubt, die Menschen vermissen lassen. 'Der Anblick jenes Thiers erfreut mich unmmittelbar, und mir geht dabei das Herz auf.' Er überhäuft diese Pudel mit Liebe, siezt sie und ergreift lebhaft Partei für das Wohl von Tieren. 'Seinen treuesten Freund, den so intelligenten Hund, legt (der Mensch) an die Kette! ...'mit Befriedigung denke ich an an den vor einigen Jahren von der Times berichteten Fall, dass ein Lord, der einen grossen Kettenhund hielt, einst, seinen Hof durchschreitend, sich beigehn liess, den Hund liebkosen zu wollen, worauf dieser sogleich ihm den Arm von oben bis unten aufriss, - mit Recht! er wollte damit sagen: Du bist nicht meyn Herr, sondern mein Teufel, der mir mein kurzes Daseyn zur Hölle macht. Möge es jedem so gehen, der Hunde ankettet.' (Einen seiner Pudel nennt er Atma, nach der Weltseele der Brahmanen.) Überhaupt fühlt er sich hingezogen zu den östlichen Religionen, insbesondere zum Brahmanismus, der Lehre der 'Buddhaisten ..., des edelsten und ältesten Volkes.' In den Upanischaden liest er jeden Abend ein paar Seiten. Als die Putzfrau einmal seine Anweisung, den Buddha in seinem Arbeitszimmer nicht abzustauben, missachtet, droht er, sie zu entlassen. Er gewöhnt sich an, tagsüber längere Zeit zu schlafen: 'Wäre Leben und Daseyn ein erfreulicher Zustand, so würde jeder ungern dem bewusstlosen Zustand des Schlafs entgegen gehn und gerne von ihm wieder aufstehn. Aber es ist gerade umgekehrt: Jeder geht sehr gerne schlafen und steht ungern wieder auf.' Er veröffentlicht die zweite, auf zwei Bände erweiterte Ausgabe von 'Die Welt als Wille und Vorstellung'. (...) Das Werk verkauft sich keine dreihundert Mal. 'Da unser grösstes Vergnügen darin besteht, bewundert zu werden, die Bewunderer aber, selbst wo alle Ursache wäre, sich ungern dazu herbeilassen; so ist der Glücklichste der, welcher, gleichviel wie, es dahin gebracht hat, sich selbst aufrichtig zu bewundern.' (Sein Buch 'Parerga und Paralipomea' wird ein Beststeller.) Sein Ruhm ('die Komödie des Ruhmes', wie er es nennt) verbreitet sich in ganz Europa. (...) Er erhält Fanpost. (...) Nachdem man ein langes Leben in Bedeutungslosigkeit und Missachtung hingebracht hat, kommen sie nun mit Pauken und Trompeten und meinen, das sei etwas, soll Schopenhauer hierauf erwiedert haben, eine gewisse Genugtuung bereitet ihm die späte Anerkennung aber doch. 'Hätte wohl irgend ein grosser Geist sein Ziel erreichen und ein dauerhaftes Werk schaffen können, wenn er das hüpfende Irrlicht der öffentlichen Meinung, d. h. der Meinung kleiner Geister, zu seinem Leitstern genommen hätte?" Philosophisch angehauchte Frankfurter schaffen sich ihm zu Ehren Pudel an." (Fortsetzung folgt:)
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